Goethe (FS II.272) ist ein Kunstwerk von Andy Warhol das in einer Auflage von 100 Exemplaren als original Siebdruck 1982 erschienen ist.

Das Kunstwerk ist ein Portrait des einflussreichen Künstlers und Staatsmannes Johann Wolfgang von Goethe. Warhol vollendete die Werkserie 1982 nach einem berühmten Gemälde von Goethes Freund und Reisebegleiter Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Das Goethe-Gesamtportfolio zeichnet sich durch eine kühne, lebhafte und kontrastreiche Farbwahl aus, die typisch für Warhols spätere Porträt Arbeiten ist. Man braucht nur einen Blick auf seine zwei Jahre zuvor entstandene Serie „Ten Portraits of Jews of the Twentieth Century“ zu werfen, um zu sehen, für welche Art von Farbarbeiten sich Warhol zu dieser Zeit interessierte. Im Gegensatz zu den Zehn Porträts sind die Farben in der Goethe-Serie jedoch nicht in blockartigen, kantigen Abschnitten angeordnet, sondern fügen sich nahtlos in das Motiv ein.

Goethe (FS II.272) ist eine Anomalie im gesamten Portfolio. Statt mutiger Anwendungen von fast fluoreszierenden Rosa-, Blau- und Rottönen erhalten wir etwas Konventionelleres, etwas, das dem Ausgangsmaterial viel näher kommt als die anderen Drucke der Serie. Der Druck ist auffallend weiß und schwelgt in seinem negativen Raum. Sowohl der Hintergrund als auch Goethes Staubwedel sind zurückgesetzt, so dass die anderen Farben in den Vordergrund treten können. Ein dreifarbiges Band aus Gelb, Fleischton und hellem Pastellgrün lenkt den Blick auf Goethes Gesicht, das von seiner Krawatte und seinem großen Hut umschlossen wird. Die Farben wirken plausibel, ziemlich gewöhnlich, auch ohne das Gemälde zu sehen, dem sie huldigen. Der Star des Bildes sind jedoch die dunklen Schatten, die über und unter Goethes Hut spielen. Ungeschminkt bieten sie ein befriedigendes Gleichgewicht zum dominierenden Weiß und sind fast so monochrom, dass das Werk etwas minimalistisch wirkt.

In dieser Hinsicht könnte es als ein Vorwort zu Warhols Love Portfolio aus dem folgenden Jahr, 1983, gesehen werden. Dieses Werk ist zwar nicht streng monochromatisch oder enthält viel Schwarz, aber die Verwendung von weißem Raum und das Interesse an Schatten scheint dem Ethos von Goethe 272 sehr ähnlich zu sein. Letztendlich machen der starke Kontrast und die skizzierten Linien in der Goethe-Mappe das Werk zu einem wichtigen Zeugnis für Warhols sich entwickelnde Techniken in den 1980er Jahren, dem letzten Jahrzehnt seines Lebens.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins monumentales Bildnis „Goethe in der römischen Campagna“ ist wohl das bekannteste und am weitesten verbreitete Porträt des Dichters. Es entstand um 1786/87 während Goethes erstem Italienaufenthalt, wo er unter Anleitung des Malers die Kunstschätze Roms studierte und sich im Zeichnen vor der Natur übte. Mit dem ganzfigurigen Bildnis des Dichters hat Tischbein der römischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ein bleibendes Denkmal gesetzt: Goethe erscheint als Reisender mit weißem Mantel und Hut, der sich auf den Überresten antiker Kulturen in einer italienischen Landschaft ausruht. Tischbeins eindrucksvolles Bilddenkmal verkörperte für viele das Idealbild des klassischen Dichters und wurde im Laufe der Zeit zu einer Ikone der Goethe-Verehrung. Goethe selbst hat das Gemälde nie vollendet gesehen, bewahrte aber eine getuschte Skizze in seiner Sammlung auf.

Andy Warhol entdeckte den „Wanderer auf dem Obelisken“ eher zufällig als Motiv. Ein Porträtauftrag des Verlegers Siegfried Unseld, den er fotografieren wollte, führte ihn 1980 nach Frankfurt. Seit den 1970er Jahren nahm der amerikanische Pop-Art-Künstler zunehmend Aufträge an, für die er eigene Fotografien verwendete. Warhol besuchte mit Unseld das Städel Museum und soll sich von ihm zu einer Variation von Tischbeins Gemälde inspirieren lassen haben. Der „Hofmaler der 70er Jahre“, wie der Kunsthistoriker Robert Rosenblum Warhol bezeichnete, nahm den Auftrag an, fotografierte das Goethe-Gemälde und schuf im folgenden Jahr sein erstes großformatiges Goethe-Gemälde auf Leinwand.

Ein bekanntes Porträt der Fotografin Barbara Klemm zeugt von einem weiteren Besuch Warhols im Städel. 1982 erschien die vierteilige Serie von Porträtserigrafien „Goethe“ in verschiedenen Farben. Die Serie wurde in 100 nummerierten Sets zu je vier Serigrafien veröffentlicht.

Das Kunstwerk Goethe zählt heute zu den meistgesuchten und verkauften Arbeiten von Andy Warhol als original Grafik. Warhol’s signierte Goethe Exemplare erzielten bei Ketterer Auktionen in München Preise zwischen 110,000 und 186,000 Euro wie beispielsweise am 10.12.2021 im 525 / Evening Sale in München oder 152.400 Euro bei Karl und Faber in München Auktion 315: Zeitgenössische Kunst | Evening Sale | 8. Dezember 2022.

Editions Schellmann & Klüser, Munich/New York; Denise René/Hans Mayer, Düsseldorf  als Herausgeber dieser Edition, Printed by Rupert Jasen Smith, New York.